Es war nicht Hitler! Es waren die Italiener, die die erste Autobahn der Welt bauten

 Immer wieder wird erzählt, Adolf Hitler habe die erste Autobahn bauen lassen – aber das ist ein Märchen. Die Wahrheit sieht ganz anders aus: Die Italiener waren die Pioniere des modernen Autobahnbaus. Bereits vor 100 Jahren, im September 1924, wurde die erste echte Autobahn der Welt in Betrieb genommen, und zwar in Italien. Die Strecke führte von Mailand nach Varese, rund 50 Kilometer nördlich der Metropole.

Wer regierte Italien? Zur damaligen Zeit war Benito Mussolini an der Macht. Der italienische Diktator hatte gerade zwei Jahre zuvor, im Oktober 1922, durch den sogenannten „Marsch auf Rom“ die Macht ergriffen und Italien in einen faschistischen Staat verwandelt. Obwohl der Bau der ersten Autobahn oft als Propaganda für Mussolinis Regime herangezogen wurde, war der tatsächliche Architekt dieses ehrgeizigen Projekts der Ingenieur Piero Puricelli.

Der Bau der ersten Autobahn Der Bau der ersten Autobahn Italiens war das Ergebnis einer Idee des Ingenieurs Puricelli. Er erkannte früh, dass der zunehmende Autoverkehr neue Lösungen für eine schnellere und sicherere Fortbewegung erforderte. Damals wurden viele Straßen sowohl von Pferdewagen als auch von Autos genutzt, was zu einem ständigen Verkehrswirrwarr führte.

Puricelli plante die „Autostrada dei Laghi“ (Autobahn der Seen), die Mailand mit den beliebten Ferienorten am Lago Maggiore und Lago di Como verbinden sollte. Diese Straße war jedoch nicht nur ein technisches, sondern auch ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Projekt. Die neue Infrastruktur sollte den Tourismus in der Region ankurbeln und gleichzeitig Italien zu einem modernen Verkehrsvorreiter machen.

Warum eine Autobahn? Im Italien der 1920er Jahre war das Automobil immer mehr zum Symbol des Fortschritts geworden. Mit steigender Zahl an Autos auf den Straßen wurde klar, dass die alten, kurvigen Landstraßen nicht mehr ausreichten, um die Bedürfnisse des modernen Verkehrs zu erfüllen. Es ging darum, eine Straße nur für den Autoverkehr zu bauen – frei von langsameren Verkehrsteilnehmern wie Kutschen oder Fahrrädern. Die Vision war eine schnelle, direkte Verbindung ohne störende Ampeln oder Kreuzungen.

Piero Puricelli formulierte damals eine neue Art von Straße: eine Straße, die exklusiv für Autos gebaut wurde – das war etwas völlig Neues. Die „Autostrada dei Laghi“ war keine „Autobahn“ im heutigen Sinne, aber sie setzte den Grundstein für das, was später zum weltweiten Vorbild wurde.

Fakten und Kurioses Am 21. September 1924 wurde die erste Teilstrecke zwischen Mailand und Varese eröffnet. Die Autobahn war mit einer Mautstelle ausgestattet, was ebenfalls neu war. Der Preis für die Benutzung der Autobahn betrug 10 Lire, was in der damaligen Zeit als relativ teuer galt. Die Straße war zweispurig, mit einer Fahrspur für jede Richtung, und es gab strenge Geschwindigkeitsbegrenzungen von etwa 80 km/h.

Kurioserweise führte die erste Autobahn nicht durch Tunnel oder über gewaltige Brücken, sondern verlief recht flach durch die lombardische Landschaft. Das große technische Problem dieser Zeit war die unzureichende Qualität des Straßenbelags. Auch war der Autobahnverkehr noch recht überschaubar: In den ersten Monaten fuhren oft weniger als 100 Autos pro Tag über die Strecke.

Das Vorbild für Deutschland Die Idee einer „Autobahn“ inspirierte später viele andere Länder, darunter auch Deutschland. Adolf Hitler übernahm dieses Konzept und baute in den 1930er Jahren das deutsche Autobahnnetz massiv aus, vor allem zu militärischen Zwecken. Auch wenn die NS-Propaganda später Hitler als Erfinder der Autobahn glorifizierte, war es doch Mussolinis Italien, das die erste moderne Autobahn geschaffen hatte.

Heute ist die „Autostrada dei Laghi“ immer noch eine wichtige Verkehrsader in Norditalien, wenngleich sie längst Teil eines viel größeren Netzes geworden ist. Doch der September 1924 markiert einen historischen Wendepunkt: Den Beginn einer neuen Ära im Straßenverkehr, die mit dem Mythos aufräumt – Es war nicht Hitler. Es waren die Italiener.

Kommentare